Kulturkonzept für Neuss – unbrauchbar und überflüssig
Das „Strategische Konzept für die Kultur in Neuss“ liegt jetzt vor. Der Kulturausschuss des Stadtrates hat die 16 Seiten bedrucktes Papier wohlwollend zur Kenntnis genommen. Und was steht drin? „Kultur ist die Basis für unsere Gesellschaft“, heißt es da bedeutungsvoll und der Leser wundert sich über ein Sammelsurium wohlformulierter Allgemeinplätze, das für jede europäische Stadt gelten kann, die über eine vergleichbare Kulturszene verfügt. Die Zielsetzung des Konzepts ist diffus und wenig präzise. Nur um „das Zusammenwirken städtischer Fachbereiche zu verbessern“, muss man keine Agentur mit der Erstellung eines Kulturkonzeptes beauftragen. Mögliche Synergien, die durch eine gemeinsame Abstimmung im Kulturbereich zwischen Stadt und Rhein-Kreis Neuss erzielt werden könnten, werden erst gar nicht thematisiert. Stattdessen wagt sich die Kulturberatung METRUM an die Definition eines Kulturbegriffs, der zuvorderst im Dienst der demokratischen Grundordnung zu stehen hat. Nur ganz beiläufig wird erwähnt, dass Kultur z.B. unsere Kreativität fördern soll. Kein Wort darüber, dass sie Freude und Faszination stiften oder zum Nachdenken anregen soll, dass sie eine wichtige Grundlage für Bildung ist. Kultur hat sich Nachhaltigkeitsstandards unterzuordnen. (Das Ergebnis war kürzlich im Kölner Museum Ludwig zu besichtigen. In der Ausstellung „Grüne Moderne“ wurden fast ausschließlich Reproduktionen gezeigt, auf CO2-freisetzende Transporte von Originalwerken aus anderen Museen sollte verzichtet werden. Der Besucher wird sich allerdings fragen, ob es Sinn macht, dafür Eintritt zu zahlen oder ob er sich die Bilder nicht besser zu Hause am PC anschaut.)
Diese politisch verbogene und lückenhafte Darstellung zieht sich durch die einzelnen Kapitel des Konzepts, es wird dem Anspruch einer vollständigen Strategie nicht gerecht. Themen wie Diversität, Digitalität, Nachhaltigkeit, Transparenz oder Standortstärkung werden in mageren 30 Zeilen angerissen. Aber vergeblich sucht man eine Aussage, dass die Neusser Kulturimmobilien barrierefrei gestaltet oder umgebaut werden müssen (z.B. Stadtarchiv), um für alle zugänglich zu sein. Fehlanzeige auch in punkto „Nüsser Platt“. Wenn in einem Kulturkonzept für Neuss kein Bezug auf die Pflege der Neusser Mundart genommen wird, ist das für viele eine sträfliche Unterlassung. Dass unsere kulturellen Alleinstellungsmerkmale besser sichtbar gemacht werden sollten, hat sich auch ohne dieses Konzept herumgesprochen. Dann aber doch bitte mal konkrete Vorschläge, wo und was für dieses Ziel geschehen muss! Stattdessen werden unrealistische, sinnlose Forderungen aufgestellt wie die Organisation „kultureller Arbeit (auch) in den Stadtteilen“. Die Handlungsempfehlungen des Konzepts gipfeln schließlich in so genialen Vorschlägen wie „Plakate aufhängen“, der Veranstaltung von Klausurtagungen und Round-Table-Gesprächen. Und einmal pro Jahr soll sich der städtische Kulturausschuss mit der Fortentwicklung eines Konzeptes befassen, dass ohnehin nur für drei bis fünf Jahre gültig ist. Man darf gespannt sein, zu welchen Erleuchtungen er dabei kommt. Eine könnte lauten: Dieses sog. Konzept war überflüssig, in Anbetracht der hohen städtischen Verschuldung hätte man darauf verzichten sollen. Apropos: Wie hoch war eigentlich das Honorar für die Agentur und wieviel Stunden musste die Neusser Kulturverwaltung für die Zuarbeit aufwenden?
(Rotger Kindermann, 3.3.2023)